Tom Feuerstacke und Bert Fenber zupfen verbal einen Song auf der Gitarre
ZWEITER BILDUNGSWEG: SINGER-SONGWRITER
Mit 16 unterwegs in den USA und ist Teil einer afroamerikanischen Band. Er kommt zurück nach Deutschland und stellt die Gitarre in die Ecke. Die gesellschaftlichen Verpflichtungen rufen. Studium, Promotion und was alle so erwarten. Dann kommt die Pandemie und was für viele beruflich den blanken Horror bedeutet, ist für ihn ein kleiner Segen. Die Gitarre verlässt die Ecke.
Deine Reise mit der Gitarre begann schon in jungen Jahren. Was hat dich dazu bewegt, so früh Gitarre zu spielen, und wie hat sich diese Leidenschaft entwickelt?
Schon als Teenager war die Gitarre für mich mehr als nur ein Hobby. Ich habe mit 16 angefangen, und meine Leidenschaft für Musik wuchs während eines Schüleraustauschs in den USA. Dort hatte ich die Gelegenheit, erste Erfahrungen in einer Band zu sammeln. Es war eine sehr prägende Zeit, weil ich der einzige Weiße in einer afroamerikanischen Band war, was mir einen einzigartigen Blick auf die Musikszene und verschiedene Stile verschaffte.
Das klingt nach einer faszinierenden Erfahrung. Wie hat diese Zeit in den USA deine Musik beeinflusst?
Die Zeit in den USA hat meine Sicht auf Musik erheblich beeinflusst. Ich habe verschiedene Musikstile und -techniken kennengelernt und gelernt, wie Musik eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen schlagen kann. Diese Erfahrungen haben mir geholfen, meinen eigenen Musikstil zu entwickeln und verschiedene Einflüsse in meine Musik zu integrieren.
Nach deiner Rückkehr nach Deutschland hast du gelegentlich in Kneipen gespielt. Was waren das für Auftritte, und wie haben sie deine musikalische Entwicklung beeinflusst?
Während meiner Jugend- und Studienzeit habe ich in Kneipen gespielt, was eine großartige Gelegenheit war, meine Musik live zu präsentieren und Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Diese Auftritte halfen mir, mein Selbstbewusstsein als Musiker zu stärken und zu lernen, wie man das Publikum anspricht und mitreißt.
Dann kam der Alltag und die beruflichen Verpflichtungen, die deine Musik in den Hintergrund drängten. Wie hast du es empfunden, als die Gitarre zeitweise unbeachtet blieb?
Es war eine Herausforderung. Der Alltag und die beruflichen Verpflichtungen haben die Musik auf Eis gelegt, was ich sehr bedauerte. Es war, als ob ein Teil von mir fehlte, und die Gitarre, die einst so zentral in meinem Leben war, blieb lange unberührt.
Was hat den Wendepunkt markiert, der dich wieder zur Musik zurückbrachte?
Der Wendepunkt kam Anfang der 2000er Jahre, als ich an der Universität zwei Musikpädagogen traf. Ihre Begeisterung und ihr Rat, wieder aktiv zu werden, haben mir den Anstoß gegeben, mich erneut mit der Musik auseinanderzusetzen. Gemeinsam gingen wir in ihr Heimstudio, und wir nahmen die ersten Stücke auf.
Das ist spannend. Was war deine erste Reaktion, als diese Musikpädagogen dir rieten, deine Aufnahmen ins Netz zu stellen?
Zu meiner Überraschung und Freude haben sie mir gesagt, dass die Aufnahmen so gut klingen, dass ich sie unbedingt ins Netz stellen sollte. Ihr positives Feedback war sehr motivierend und ermutigte mich, meine Musik öffentlich zu teilen und den nächsten Schritt in meiner musikalischen Reise zu gehen.
Zu Beginn lief alles noch im kleinen Rahmen, doch dann kam die Corona-Pandemie. Wie hat diese Zeit deine berufliche und persönliche Situation beeinflusst?
Die Pandemie hat alles auf den Kopf gestellt. Ich war bereits selbstständig und hatte nach meinen Angestelltenjobs auf eigene Faust gearbeitet. Plötzlich stand ich ohne Einkommen da und geriet in Panik, wie viele andere Selbstständige auch. Glücklicherweise erhielt ich staatliche Unterstützung, aber diese Situation war natürlich sehr herausfordernd. Es muss eine schwierige Zeit gewesen sein. Gab es einen bestimmten Moment, in dem du dich entschieden hattest, die Situation als Chance zu nutzen? Ja, nach etwa vier Wochen in dieser unsicheren Lage kam mir der Gedanke: „Das ist eine einmalige Chance – so viel Zeit wirst du nicht wieder haben.“ Diese Erkenntnis motivierte mich, meine Zeit wieder zum Songschreiben zu nutzen und mich intensiv mit meiner Musik zu beschäftigen.
Während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 hast du eine besondere Gelegenheit genutzt. Kannst du mir mehr darüber erzählen, wie diese Zeit deine Entscheidung beeinflusst hat, sich intensiver mit deiner Musik zu beschäftigen?
Ja, genau. Die Pandemie war für mich ein Wendepunkt. Die Selbstständigkeit lief nicht wie geplant, und ich hatte plötzlich viel Freizeit für das Kreative. Statt diese Zeit ungenutzt verstreichen zu lassen, entschied ich mich, sie in meine Musik zu investieren. Ich lernte Jochen Hohmann kennen und ging in sein professionelles Studio, um meine ersten Songs richtig aufzunehmen. Das war ein großer Schritt im Vergleich zu meinen früheren Homestudio-Sessions, bei denen ich mit Musikpädagogen gearbeitet hatte. Dieses Mal arbeitete ich mit einem erfahrenen Profi in einem voll ausgestatteten Studio, und ich investierte selbst in die Aufnahmen.
Seine Musik ist eine Mischung aus euro-amerikanischem Pop-Rock
Das klingt nach einer bedeutenden Entscheidung. Wie hast du die Resonanz auf deine Songs erlebt, nachdem du sie online gestellt hast?
Die Resonanz war überraschend positiv. Die Klickzahlen stiegen, und viele Leute – vor allem Bekannte – ermutigten mich, weiterzumachen. Zu Beginn bewegten sich die You Tube Klickzahlen bei 300 bis 500 Aufrufen. Natürlich sind das keine riesigen Zahlen in der Musikwelt, und ich bin mir bewusst, dass junge Musiker mit solchen Zahlen Schwierigkeiten haben könnten, ihre Karriere weiterzuführen. Aber für mich zählte in diesem Moment nicht der kommerzielle Erfolg. Die positive Rückmeldung der HörerInnen war es, die mich motivierte, dranzubleiben.
Das ist echt beeindruckend! Es scheint, als hätte die Unterstützung deiner Hörer und die Qualität deiner Arbeit dir echt geholfen, dich weiterzuentwickeln. Wie wichtig ist dir eigentlich dieses Feedback?
Das Feedback ist enorm wichtig für mich. Es zeigt mir, dass meine Musik gehört und geschätzt wird, und es gibt mir den Antrieb weiterzumachen. Die Bestätigung von Menschen, die ich kenne, sowie von neuen Hörern, hat mir gezeigt, dass ich auf dem richtigen Weg bin und es sich lohnt, in die Musik zu investieren.
Es ist faszinierend, wie du die Herausforderungen der Pandemie in eine Chance verwandelt hast. Welche weiteren Pläne hast du für die Zukunft in Bezug auf deine Musik?
Ich plane, weiterhin neue Musik zu produzieren und meine Songs einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Es geht mir nicht nur um den kommerziellen Erfolg, sondern auch darum, meine Botschaften und Gefühle durch die Musik zu vermitteln.
Um das klarzustellen: du bezeichnest dich als absoluten Selfmade-Musiker. Was bedeutet das für dich, und wie hat sich diese Philosophie auf deine musikalische Reise ausgewirkt?
Genau, ich bin ein Selfmade-Musiker, und das ist mir sehr wichtig. Geld zu verdienen, ist nicht mein Hauptantrieb. Natürlich wäre es schön, wenn sich daraus Einnahmen ergeben würden, aber für mich steht die Leidenschaft für die Musik im Vordergrund. Ich habe erst relativ spät mit der Musik ernsthaft begonnen.
Das ist wirklich bemerkenswert. Nachdem du deine ersten Stücke online gestellt hattest, wurde eine kleine Agentur aus Hessen auf dich aufmerksam. Kannst du mir mehr darüber erzählen, wie diese Agentur dir geholfen hat?
Ja, die Agentur hat mich anderthalb Jahre lang betreut und hat mich in namhaften US-Musikmagazinen, Indie-Radios sowie bei RTL und BBC platziert. Das war eine großartige Erfahrung und hat meine Erwartungen weit übertroffen. Letztlich habe ich mich jedoch entschieden, die Promotion wieder selbst zu übernehmen, weil die dauerhafte Finanzierung der Agentur zu teuer war. Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich wollte die Kontrolle über meine Musik und deren Präsentation behalten.
Deine Online-Klickzahlen liegen aktuell zwischen 2.000 und 12.000 pro Song. Wie stehst du zu diesen Zahlen, und was bedeuten sie für dich persönlich?
Ich rede ungern nur über Klicks, weil sie meiner Meinung nach nicht die Qualität der Musik widerspiegeln. Für mich war es ein großer Erfolg, überhaupt eine Resonanz aufzubauen. Die Tatsache, dass ich alles eigenständig organisiert habe – von der Promotion bis zu den Studioaufnahmen – macht mich stolz, unabhängig von den reinen Klickzahlen.
Was treibt dich an, besonders in einem Alter, in dem viele Menschen sich eher zurückziehen? Wie hat die Corona-Krise deine Perspektive auf die Musik verändert?
Mir wurde klar, dass ich etwas gefunden habe, das ich lange Zeit vernachlässigt habe, aber jetzt ausleben möchte. Meine Musik ist für mich ein Ausdrucksmittel – ich nutze sie, um persönliche Erfahrungen zu verarbeiten und Botschaften zu vermitteln. Einige meiner Songs beschäftigen sich mit wichtigen Themen wie dem Klimawandel und gesellschaftlichen Fragen.
Du bezeichnest dich als Singer-Songwriter mit einem klar definierten Stil. Wie würdest du deine Musik beschreiben, und welche Einflüsse haben deine Zeit in den USA und in Paris auf deinen Sound gehabt?
Meine Musik ist eine Mischung aus euro-amerikanischem Pop-Rock. Die Zeit in den USA und in Paris hat meinen Stil stark beeinflusst. Die Melodien, die ich schreibe, sind eingängig und können sowohl Country als auch rocklastig sein. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich sagen kann: Das ist meine Musik, das bin ich – und ich weiß, wo ich stehe.
Viele von uns träumen in jungen Jahren von großen Bühnen, Festivals und einem aufregenden Lebensstil. Wie war das bei dir, als du mit 14, 15 oder 16 Jahren von einer Karriere als Rockstar oder sogar Astronaut geträumt hast? Hattest du da konkrete Vorstellungen?
Ja, in der Jugend denkt man oft an diese großen Träume und die damit verbundene Aufregung. Tatsächlich sind diese Vorstellungen häufig von der Realität des Alltags weit entfernt. Man muss Geld verdienen, sich um viele praktische Dinge kümmern und die „weltlichen“ Anforderungen meistern. In meinem Fall habe ich den Weg zur Musik erst spät eingeschlagen, und die klassischen Musikerlebnisse wie Festivals oder das Leben als Rockstar sind bisher nicht so prägend gewesen.
Du hast deinen Stil jetzt erst mit über 60 gefunden. Glaubst du, dass es in dieser Lebensphase schwieriger ist, die typischen Musikererfahrungen wie Festivals oder den Backstage-Lifestyle zu erleben? Fragst du dich manchmal, ob du diesen Weg vielleicht früher hättest einschlagen sollen, um solche Erfahrungen intensiver zu erleben?
Nein, das sehe ich nicht so. Ich war schon immer ein Spätzünder, nicht nur in der Musik, sondern in vielen Bereichen meines Lebens. Auch wenn ich vielleicht einige Jahre hinterher bin, ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um meinen Stil zu leben. Heute weiß ich genau, was ich mache und warum ich es mache. Ich kann viel von mir selbst in die Musik einbringen, was mir besonders wichtig ist.
Du schreibst deine Texte auf Englisch und hast Amerikanistik studiert sowie darüber promoviert. Wie hat deine akademische Laufbahn in der Literaturwissenschaft deine Musik beeinflusst?
Das Studium und die Promotion in Amerikanistik haben mir definitiv beim Schreiben meiner Texte geholfen. Es ist schon witzig, wie sich meine akademische Laufbahn und meine Liebe zur Musik ergänzen. Auch wenn ich immer eine akademische Karriere verfolgt habe, war die Musik immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Jetzt lebe ich diesen Teil aus und bin froh, dass ich meinen Stil gefunden habe. Du hast lange keine Band gewollt, aus Respekt vor dem Managementaufwand. Was hat letztlich den Ausschlag gegeben, diesen Schritt doch zu wagen? Es war tatsächlich die Empfehlung meiner Promotionsagentur, die mich schließlich überzeugt hat. Die Agentur sah das Potenzial in einer Band und hat mir geholfen, diesen Schritt zu gehen. Jetzt habe ich eine Gruppe von erfahrenen Musikern um mich, die auch in anderen Projekten aktiv sind. Jeder in der Band ist wichtig für unsere Musik.
Du hast erzählt, dass du mittlerweile selbst die meisten Radio-Kontakte pflegst und deine Songs direkt verschickst. Wie hat sich diese Verantwortung auf deine Arbeit ausgewirkt?
Früher lief alles über meine Agentur, aber nachdem ich die Kontakte selbst übernommen habe, konnte ich direkt und persönlich mit den Radiosendern kommunizieren. Das hat mir nicht nur mehr Kontrolle über die Verbreitung meiner Musik ermöglicht, sondern auch, direktes Feedback zu erhalten. So habe ich auch meine aktuelle Single „Angel Angel“ veröffentlicht.
Deine Songs werden also im Radio gespielt. Du hattest RTL erwähnt – war das Webradio oder Fernsehen?
Webradio, genau. Es läuft bei BBC, RTL und ähnlichen Radios, aber nicht im Fernsehen.
Konzerte?
Ja, wir hatten einige Auftritte, zum Beispiel im Kulturbahnhof und bei der Grünflächenunterhaltung, im Ruhrgebiet und im Jovel Club. Wir waren auch beim Kreuzviertelfest, aber das war ein einmaliges Ding, da man danach 2–3 Jahre pausieren muss.
Was treibt dich an, deine Musik auf die Bühne zu bringen und dafür Promo zu machen?
Nach langer Zeit im Studio habe ich gemerkt, dass etwas fehlt, wenn man nur online präsent ist. Die Leute wollen dich live erleben, und diese Atmosphäre gibt es online nicht. Das direkte Feedback auf der Bühne ist einfach etwas Besonderes.
Wie sieht dein Plan für die kommenden Monate und das nächste Jahr aus?
Dieses Jahr haben wir noch zwei Auftritte – in den Ufer-Studios in Amelsbüren und in Herne. Im nächsten Jahr planen wir weitere Shows, unter anderem wieder beim Kreuzviertelfest, falls wir eingeladen werden. Außerdem steht ein Auftritt in der Kreuzkirche an, wo wir eine Lesung mit Christoph Tiemann begleiten.
Hast du noch weitere Projekte in Planung?
Ja, wir arbeiten gerade daran, mehr in die Streaming-Plattformen hereinzukommen. Bisher habe ich mich auf YouTube konzentriert, aber jetzt wollen wir auch bei Spotify besser vertreten sein. Ich bin noch neu in der Szene, aber das wird sich entwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch.
Danke euch. Auch für den Cappuccino.
Bernd „Bert Fenber“ Rasche Der 1956 in Darmstadt geborene Dr. phil. in Amerikanistik, Coach und Dozent in der Weiterbildung, ist alles, aber kein gewöhnlicher Doktor. Bert Fenber ist Musiker und das mit Leib und Seele. www.bertfenber.com
lllustration Thorsten Kambach / Fotos Bert Fenber