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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Götz Alsmann erklärt Stephan Günther, wie man ein Top 10-Album macht

GÖTZ ALSMANN ÜBER HYMNEN UND HITPARADEN

Götz Alsmann muss man den Münsteranern wohl nicht mehr vorstellen. So ziemlich jeder kennt ihn oder hat schon mal von ihm gehört. Deutschlandweit bekannt ist er nicht nur durch seine Frisur, sondern vor allem durch seine Musik und auch aus Funk und Fernsehen. 20 Jahre lang war er neben Christine Westermann Moderator der beliebten Talkshow „Zimmer frei!“. Auch im Stadion des SC Preußen Münster ist er häufig zu finden. Dem frisch gebackenen Zweitligisten und seinen Fans schenkte er unlängst eine neue Hymne („Fußball-Sinfonie – die Preußen-Münster-Hymne“). Über die Hymne, aber auch über sein brandaktuelles Album („… bei Nacht …“) sprachen wir mit ihm.

Ein schönes neues Album hast du da herausgebracht, Götz. Wie sind die Reaktionen?


Zugegebenermaßen treffe ich meistens Leute, die mir etwas Nettes sagen wollen. Nein, Spaß beiseite, die Resonanz ist ganz fantastisch.


Ich glaube, das spiegelt sich auch in den Charts wider, oder?


Allerdings! Wir sind direkt auf Platz 8 in den deutschen Albumcharts eingestiegen, das hatten wir noch nie. Eine neue Erfahrung! In den Jazz-Charts schaffen wir es ja seit über 20 Jahren immer auf den ersten Platz. Für die „normalen“ Charts ist die Top 10 schon besonders.


Hast du eine Idee, warum es gerade dieses Album direkt in die Top 10 geschafft?


Vielleicht. Das Konzept ist diesmal ein wenig anders aufgezogen. Bei den letzten Alben waren die Arrangements immer so gestrickt, dass nur meine Band ins Studio ging. Gastmusiker wie jetzt hatten wir schon seit vielen Jahren nicht mehr eingeladen. Wir haben also, da wir fast alle Multi-Instrumentalisten sind, mithilfe der modernen Technik ein Orchester simuliert. Ich habe dafür oft sehr kleinteilig arrangiert, viele verschiedene Soli, Instrumentenkombinationen, viel Zeug halt.


Ok, und jetzt hast du alles anders gemacht?


Ein bisschen. Schon im letzten Programm gefielen mir ein paar Nummern ziemlich gut, die wir im Studio nur mit der nicht erweiterten Kernbesetzung aufgenommen haben. Diese Nummern hatten eine gewisse innere Ruhe, sie ließen sich Zeit, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln. Eigentlich sehr schön. 


Nachvollziehbar …


Wir wollten also nicht auf Deibel komm raus ein Höchstmaß an erzwungener Abwechslung im Sinne von „Welches Instrument hatten wir noch nicht?“ fabrizieren. Diesmal sollte es ein relativ einheitliches Klangbild sein. Die Abwechslung sollte in den sehr unterschiedlichen Kompositionen liegen. Dazu kamen dann als Krönchen die ganz besonderen Gäste hinzu: Roland Kaiser, Till Brönner, Nils Landgren, Frank Chastenier, Yvonne Catterfeld, die Zucchini Sistaz. Der besondere, intime Klang, der sich durchs Album zieht, wurde in Berlin wunderbar vom Produzenten Christoph Israel und dem Tonmeister Philipp Nedel eingefangen.


Die Gastrollen als Krönchen, das trifft auch meine Wahrnehmung!


Ja, das hat hervorragend funktioniert. Diese Gastrollen sind klar definiert und wir lassen den Gästen viel Zeit, ihre Instrumente und Stimmen richtig in Szene zu setzen.


Mich erinnert dieses Album an die großen Big Bands und Swing-Zeiten. Wart ihr da mit großer Instrumentalisierung am Werk?


Eigentlich nicht. Hier und jetzt gibt es gelegentlich ein wenig Akkordeon oder Orgel und gelegentlich mal ein bisschen Marimba oder besondere Percussion, aber das ist eigentlich schon alles.


Erstaunlich!


Das, was dich an Swing und Big Band-Musik erinnert, ist wahrscheinlich der Grund-Groove vieler Stücke. Dieses Album hat einen deutlich durchgängigeren Jazz-Touch.


Ich werde daran beim nächsten Hören mal denken! Mal ein ganz anderes Thema: Hast du deine Fernsehkarriere eigentlich beendet, oder wird da noch mal etwas kommen?


(Grinst) Was soll nach „Zimmer frei!“ noch kommen? Ich war insgesamt 30 Jahre beim Fernsehen. 1986 habe ich dort als Moderator angefangen. Nach dieser langen Zeit bin ich so wählerisch geworden, dass ich keines der in den letzten Jahren eintrudelnden Angebote ernst nehmen konnte. 


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Glaube, die Musik füllt einen auch genug aus, oder?


Musik, Theater und meine Radiotätigkeit füllen mich in der Tat sehr aus, richtig! 


Du hast ja musikalisch einiges gemacht und erlebt in deiner Karriere. Auch Punk war dabei, oder?


Na, sagen wir's mal so: Ich war Zeuge, als das 1975/76 in England losging. Das war sehr faszinierend, aber ich war eher ein Zaungast. Viel später habe ich mit Adam Riese und Sunny Domestosz in einem kleinen Projekt mitgewirkt – „Die fidelen Schwager“. In den 80er-Jahren habe ich auch vereinzelt halb anonym auf entsprechenden Platten als Instrumentalist mitgespielt. Das war alles.


Neben deinem neuen Album gibt es ja noch ein weiteres Projekt. Du widmest Preußen Münster eine neue Hymne. Wie kam es dazu?


Mir ist aufgefallen, dass es viele Preußen-Nummern gibt – witzige, volkstümliche, rockige oder punkige. Einen Song habe ich ja selbst 1991 zusammen mit El Bosso beigesteuert. Eine richtige Hymne im klassischen Sinne fehlte bislang allerdings. Eine solche Hymne ist für mich ein nicht zu schnelles, gut sangbares Lied, mit einer volksliedhaften Melodie, mit Inbrunst zu singen, während man den Schal seines Lieblingsklubs hochhält. 


Und dann kamst du noch einmal?


Beim Aufstieg vor einem Jahr in die dritte Liga zu hören, wie sich einige mit „You'll Never Walk Alone“ abmühten, war ernüchternd. Eigentlich hat dieses Lied vom Ursprung her ja mit Fußball nichts zu tun. Es stammt aus dem Musical „Carousel“ von Rodgers & Hammerstein. Der Song wurde damals in Liverpool im Stadion gesungen, weil eine Liverpooler Band, Gerry & The Pacemakers, die Jungs aus der Nachbarschaft, damit eine Nummer 1 hatten und sich alle über den Bombenerfolg freuten.


Das wusste ich bisher so noch gar nicht.


Es ist eine schwierig zu singende Melodie, aber die musikalische Schwarmintelligenz bekommt das hierzulande dann irgendwie doch hin, auch ohne tiefgreifende Textkenntnisse. Alle warten nur darauf, im Chor „Walk on, walk on“ zu rufen. Bis dahin vergehen aber lange zweieinhalb Minuten, in denen nicht jeder gleich gut weiß, was da musikalisch los ist.


Das war dann also dein Antrieb, tätig zu werden?


Genau – bei allem Respekt für dieses Lied und der fußballerischen Tradition, die damit einhergeht. Aber eine eigene Hymne? Eine verlockende Idee!


Daraus entstanden ist ja keine Hymne von der Stange!


Einen Song zu produzieren, ist heutzutage im Zuge der Home-Recording-Studios kein Hexenwerk mehr. Aber mir schwebte etwas gänzlich anderes vor, ein richtiges Symphonieorchester mit einem großen Chor. Da waren der Münstersche Opernchor, der Lamberti-Chor und noch ein Riesen-Fan-Chor dabei. Du hast das ja selbst bei der Aufnahme miterlebt.


Ja, das war sehr imposant!


Und so etwas hat kein anderer Klub in Deutschland. Keiner. Niemand. Da gibt es bei den Vereinen allüberall entweder die alten Stimmungs-Schlager wie „Zebra, Streifen, Weiß und Blau, das ist der MSV …“, oder die auf moderne Art mit dem Computer gebastelten Pop-Nummern. Es ist viel dabei für die Siegesparty und auch einiges für die fröhliche Stimmung vor dem Spiel. Wohlgemerkt: Alles hat absolut seine Berechtigung! Dennoch stelle ich mir unter dem Wort „Hymne“ halt etwas anderes vor.


War die neue Hymne denn den beiden Aufstiegen geschuldet?


Nicht wirklich. Das Thema war schon seit Jahren immer mal wieder im Gespräch und ich wurde im Stadion mehr und mehr von meinen Sportsfreunden gepiesackt, was denn nun mit der Hymne sei. Nachdem das aktuelle Album fertig war, konnte ich mir endlich die Zeit dafür nehmen.


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Du hast dann mal schnell komponiert und getextet?


Die Melodie hatte ich schon etwas länger in petto und der Text basiert auf älterer Fußball-Lyrik.


Hatte nicht sogar dein Großvater schon seine Hände bei den Texten im Spiel?


Ja, der war daran beteiligt. Er hat die Rückseiten von Stadionfotos von ihm selbst aus den 50er- und 60er-Jahren mit Slogans beschrieben: „Sport und Glück“ oder „Das ist mein Verein“ oder „Fußball wie eine Sinfonie“. Das ließ sich vortrefflich zu einem Puzzle zusammenführen.


Dein Preußen-Song von 1991 hat sich ja nur mäßig durchgesetzt, zumindest im Stadion. Meinst du, dieses Mal wird das anders?


Ich bin kein Wahrsager … Aber viele Fans waren bei der Aufnahme mit dabei. Du hast ja gesehen, was für ein bunter Querschnitt aus Preußenfans, Mitarbeitern und Chormitgliedern begeistert mitgemacht hat.


Kannten die das Lied schon vorher?


Tatsächlich einige. Die waren schon dabei, als ich dem Verein das Lied vorgestellt habe.


Wie haben die reagiert? Wie war das?


Alle kamen in das Studio, der Flügel war aufgeklappt und ein echter, lebender Opernsänger stand da, Fritz Steinbacher, ein großer Preußenfan übrigens. Wir haben es einmal zu zweit gespielt und gesungen. Dann: „Können wir es noch mal hören?“ Also haben wir es erneut gespielt. Danach haben wir ein Bier getrunken und Brötchen gegessen. Anschließend fragten sie nach dem Text. Ich habe Textblätter verteilt und dann haben wir es ein drittes Mal gespielt. Alle sind spontan aufgestanden und haben mitgesungen. Zweimal gehört, beim dritten Mal schon mitgesungen. Alle Mann! Alle Achtung!


Wahnsinn! Und später das Orchester?


Der Generalmusikdirektor des Theaters Münster, Golo Berg, war sofort Feuer und Flamme und hat gleich zugesagt. Ein sensationeller Dirigent! Wir sind ja schon seit Jahren Partner bei den Neujahrskonzerten im Theater. Die Zusammenarbeit macht einfach Spaß.


Wahnsinn, wir dürfen alle gespannt sein, wenn die Hymne ein erstes Mal im Stadion erklingt. Götz, ganz lieben Dank für das gute Gespräch.


Götz Alsmann
Er wurde am 12. Juli 1957 in Münster geboren. Er studierte an der Universität Münster Germanistik, Publizistik und Musikwissenschaft. Er ist nicht nur erfolgreicher Musiker, sondern auch bekannt aus Funk und Fernsehen. Zusammen mit Christine Westermann moderierte er 20 Jahre lang die Sendung „Zimmer frei!“, die im Jahr 2000 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Stephan Günther

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