Tom Feuerstacke und Holger Dietrich besprechen die dritte Mission.
EXPERIMENTIEREN, FORSCHEN, STAUNEN
Seit langer Zeit ist uns allen bewusst, dass wir so nicht weitermachen können, wenn zukünftige Generationen auf unserer Erde leben wollen und sollen. Natürlich ist es einfach zu sagen:„Lasst uns alles ändern“ und „Ich bin bereit“. Nur das alleine bringt uns keinen Schritt weiter. Vielmehr treten wir auf der Stelle. Also braucht es Köpfe, die eine Umkehr schaffen. Menschen, die sich wirklich mit dem Thema beschäftigen und nach Innovationen suchen. Diese Köpfe müssen gefunden werden. Auf der anderen Seite müssen diese Neuerungen der Gesellschaft nahe gebracht werden, damit sie akzeptiert und genutzt werden. Und nicht zuletzt braucht es die Wirtschaft, die diese Erfindungen und Ideen umsetzt. Um diese verschiedenen Gruppen zusammen zu bringen, begeben sich Hochschulen auf die 3. Mission.
Holger. Third Mission klingt wie eine Reise ins All. Bist du Mitglied einer Raumfahrt-Crew?
(Lacht) Nein. Ich stehe mit beiden Beinen auf der Erde. Mit der Third Mission zeigen wir der Gesellschaft, woran wir experimentieren und forschen. Wir gehen raus und zeigen uns. Deswegen besuchen wir Schulen und sind auf Messen, öffnen unseren Campus für interessierte Besucher und hatten unseren Laden auf dem Prinzipalmarkt, den Urban Science Store. Wir sprechen die Bevölkerung gezielt an, um die Frage zu beantworten, was wir im Labor machen. Es wäre ja nicht zielführend, wenn niemand erfährt, welche Innovationen in einem Labor geschehen.
Okay. Ich dachte immer, dass Hochschulen eher ein geschlossener Kreis sind, dem nur Auserwählten der Zugang ermöglicht wird. Nun öffnet ihr euch der breiten Masse?
Das machen die Hochschulen schon ziemlich lange und der Sinn dahinter ist nicht zuletzt, dass Leute bei uns studieren. Und nicht irgendwas. Interessenten sollen natürlich wissen, was sie bei uns studieren können. Und natürlich ist es wichtig, dass die richtigen Studiengänge gewählt werden.
Lehren und forschen sind von jeher die zentralen Aufgaben einer Hochschule. Aber Third Mission klingt nun nicht so, als gäbe es diesen Weg, der beschritten wird, schon ewig lange?
Das gibt es jetzt doch schon ein paar Jahre. Das Thema und seine Bedeutung werden aber immer wichtiger. Wenn heutzutage wissenschaftliche Ergebnisse beleuchtet werden, müssen wir rausgehen und diese Dinge zeigen. Die Wissenschaft ist am Ende dafür da, der Gesellschaft zu helfen. Bei einigen Ergebnissen gibt es keine zwei Meinungen. Eins und eins ist zwei. Darüber brauchen wir uns nicht streiten.
Das ist klar, dass wir über eins und eins nicht sprechen. Aber die Forschung steht in der heutigen Zeit ordentlich im Fokus und über Ergebnisse wird leidenschaftlich diskutiert. Viele Fakten werden nicht selten infrage gestellt?
Durch die Krisen der vergangenen Jahre ist allen klar, welche Bedeutung die Forschung hat. Wir müssen zeigen, dass das, was wir tun, Hand und Fuß hat. Alle Ergebnisse, die Labore an den Hochschulen liefern, haben einen Nutzen für die Gesellschaft. Schaue dich mal um. Alles, was wir heute haben, Handy, Auto und etwaige Technik wurde durch Wissenschaftler an Hochschulen oder in Instituten entwickelt. Oder Wissenschaftler haben Firmen gegründet, wo sie Innovationen entwickeln. Das bringt die Wissenschaft. Manchmal vergessen das die Menschen und da sind dann solche Formate ganz nützlich, die Erinnerung neu zu erwecken.
Über das Ergebnis von eins plus eins streiten wir nicht. Gibt es denn für dich Ergebnisse, über die gestritten werden darf?
Letztendlich darf über alles gestritten werden. Streit ist ja an sich nicht schlecht. Und es gibt genügend Themen, über die leidenschaftlich gestritten wird. Am Ende bringt einen der Diskurs ja weiter. Korrekturen können nur vorgenommen werden, wenn es verschieden Ansätze gibt. Wir leben in einer Demokratie und da sind verschieden Meinungen zugelassen und wichtig. Allerdings ist, gewisse Ergebnisse komplett abzulehnen, natürlich schwierig. Man muss gewissen Realitäten auch ins Auge blicken. Mit Realitätsverlust wird kein Problem gelöst.
Ihr forscht auch am Klimawandel. Der ist da und wir brauchen Lösungen. Es gibt eine junge Generation, die sehr deutlich darauf aufmerksam macht. Die nach Wegen sucht, die Erde zu retten. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die diesen Wandel leugnen. Ihr klebt euch jetzt nicht auf der Straße fest. Aber glaubst du, dass ihr Teile der Gesellschaft erreicht, die diese Ergebnisse ablehnen?
Das weiß ich nicht, ob wir diese Leute erreichen. Wir können es ja nur versuchen. Wenn man sich diesen Argumenten total verschließt, wird es schwierig. Aber du hast ja gerade die junge Generation angesprochen. Das sind die Menschen, die bei uns studieren. Im Bereich der Green Energy haben wir einige Studiengänge. Wenn man mit den Studenten spricht, erfährt man pure Leidenschaft und Enthusiasmus. Die wollen wirklich was verändern und neue Technologien anwenden. Natürlich gibt es Menschen, die alles ablehnen. Aber wenn ich mit den studentischen Hilfskräften draußen bin, sehe ich lebhafte Diskussionen. Da geht mir das Herz auf. Ich habe da schon den Eindruck, dass mehr Menschen den Wandel unterstützen, als sich zu verschließen.
Woher nimmst du diese Zuversicht?
Als wir unseren Laden am Prinzipalmarkt hatten, den „Urban Store“, waren studentische Hilfskräfte dabei, die sich rege über diese Themen mit Bürgern unterhalten haben. Wir hatten Exponate dabei, wo man sich über seinen eigenen Energiehaushalt informieren konnte. Wenn man diese Gespräche begleitet hat, merkte man, wie empfänglich die Besucher waren und es keinerlei Ablehnung gab. Am Ende ist es ja auch was Schönes für beide Seiten. Für die Ingenieure, die später sagen können, dass sie an Projekten, die den Menschen etwas Positives geben, mitgewirkt haben. Der Verbraucher wiederum kann darauf zurückblicken, dass seine Anschaffung dazu beigetragen hat, der Gesellschaft zu helfen, weil es am Ende der Umwelt nützt. Dieser Dialog jedenfalls, den ich erlebt habe, zeigt mir den Zuspruch. Und der ist um ein Vielfaches größer als die Ablehnung.
Die Herausforderungen an die Forschung werden immer größer. Alles, was wir brauchen, muss so entwickelt werden, dass es den heutigen Standards entspricht. Vor allem darf es die Umwelt möglichst nicht mehr belasten. Wie oft müssen sich die Hochschulen dementsprechend neu erfinden und dieses unglaubliche Segelschiff passend in den Wind setzen?
Ich bin ja nicht verantwortlich als Steuermann für das Große und Ganze, das ist unser Präsidium. Sie entwickeln, zusammen mit den verschiedenen FH-Interessengruppen, die Hochschulentwicklungspläne und geben die Leitplanken vor. Wir werden allerdings auch von außen beeinflusst. Die Topthemen, die ich genannt habe, kommen von außen und sind in allen Fachbereichen hinterlegt. Den viel zitierten Begriff „Nachhaltigkeit“ findest du im Bereich ‚Design‘ genauso wie in der Ökotrophologie. Das ist ein Thema, mit dem sich die Welt beschäftigt und wir auch. Da sind wir für die Gesellschaft gefordert. Denn alle haben ja ein Interesse daran, dass Probleme gelöst werden.
Du erlebst genauso wie ich die „Junge Generation“. „Fridays for Future“ und „Klimakleber“. Bist du bei diesen jungen Menschen oder geht dir das zu weit?
Da bin ich etwas ratlos. Ich kenne niemanden, der sich in solchen Gruppen engagiert. Was ich aber sagen kann: Viele Veränderungen der letzten 50 Jahre sind durch junge Menschen entstanden. Das muss man ehrlich sagen. Sie sind der Dynamo für Veränderungen. Wir Personen mittleren Alters sind da schon etwas träge und selten Antreiber. Es ist vollkommen selbstverständlich, dass sich die jungen Generationen Gedanken machen. Dadurch werden gewisse Sachen angeschoben. Das ist doch super.
Gibt es denn in Münster im Moment etwas, das so innovativ ist und der Erde zugutekommt?
Wir haben eine Forschungsgruppe, die eine Folie erforscht hat. Diese löst sich in Salzwasser unter Sonneneinstrahlung komplett auf. Alles in der Umwelt enthalten. Salz im Wasser und die Sonne scheint. Als das Ergebnis vorgestellt wurde, war das Medieninteresse groß. Alle waren da und begeistert. Einige Firmen haben Interesse gezeigt.
Das ist doch super?
War es auch, bis die Kosten vorgestellt wurden. Danach haben die Unternehmen gerechnet und das Buch für sich geschlossen. Es ist zu teuer. Das Interesse der Unternehmen war dann nicht mehr ganz so groß. Aber die Forschungsidee ist ja noch da und mit Sicherheit wird es einen Weg geben, dass sie auch in Zukunft umgesetzt wird.
Wie plant Ihr in Zukunft mit einem möglichen Urban Science Store?
Bisher haben wir nichts in der Pipeline. So eine Möglichkeit am Prinzipalmarkt während des Weihnachtsmarkts kommt auch nicht dauernd um die Ecke. Das war schon ein echtes Highlight! Wenn es noch mal ein „Angebot“ gibt, müssten wir, damit meine ich meine Kollegin Dörthe von der Uni, mit der wir zusammen den Urban Science Store organisiert haben, darüber nachdenken. Allerdings ist der Aufwand schon recht groß und die Woche war recht turbulent und anstrengend. Wir haben aber tolle Erfahrungswerte gesammelt, die man an anderer Stelle wieder umsetzen kann. Die Leidenschaft für Wissenschaft bei Jung und Alt konnte man spüren. Ich hoffe, wir können durch solche Formate das Interesse am Experimentieren fördern, damit es zukünftig mehr kluge Köpfe gibt, die Lösungen für unsere Probleme finden.
Das sehe ich sehr ähnlich. Allerdings werden wir Verbraucher auch verstehen müssen, dass es die Rettung der Erde nicht zum Nulltarif geben wird. Was ich aber weiß: Genug Mikroplastik nehmen wir jährlich durch Nahrung auf. Und wir verdauen das Zeugs nicht so gut.
Ein Professor von uns sagt, dass wir jeden Monat eine EC-Karte Mikroplastik essen.
Hammer.
Wenn es stimmt, definitiv.
Dann mal weiterhin viel Spaß mit der Third Mission.
Holger Dietrich
Der 1972 in Düsseldorf geborene Politologe studierte in Münster. An deren Fachhochschule kümmert er sich um die Nachwuchsförderung - natürlich nicht alleine. Und am Wochenende ist der Holger glühender Fan der Elf vom Niederrhein.
llustration Thorsten Kambach / Fotos shutterstock, Armin Zedler