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2022-11-07 Stadtgeflüster Illustration Ekki kurz.tif

Tom Feuerstacke und Moritz Glasbrenner brennen verbal für den Trainerjob

MORITZ. EIN TRAINER, DEM DIE SPIELER VERTRAUEN!

Es ist selten, dass einem jemand begegnet, der einer Medizinerfamilie entstammt. Nicht so selten ist es dann, dass derjenige das Studium der Medizin wählt und als Doktor beendet. Nicht überraschend scheint es weiter, wenn diese Person als Arzt praktiziert. Überrascht ist man allerdings schon, wenn die Leidenschaft ruft und der Kittel an den Haken gehängt wird, er sich Sportsachen überwirft und fortan als Trainer im Fußball arbeitet.

Moritz. In Paderborn arbeitest du als Nachwuchstrainer. Momentan ist das das Resultat einer intensiven Arbeit. Wie kamst du dazu, Fußball zu spielen? 


Tatsächlich habe ich bereits mit vier Jahren angefangen. Schon in jungen Jahren habe ich Fußball gespielt und mich an meinen größeren Bruder gehalten. Meine Mutter sagt, dass ich am Anfang immer Torhüter sein wollte, weil die buntesten Trikots hatten (lacht). Insofern begann ich im Tor mit Begeisterung.


Du bist Anfang 2000 zusammen mit deiner Familie nach Münster gezogen. Welche Erkenntnisse hast du über dich und den Fußball gewonnen?


Seit 2001 wohne ich in Münster und fühle mich hier sehr wohl. Als ich damals umzog, insbesondere als Jugendspieler, musste ich mich an viele Veränderungen gewöhnen. In Magdeburg spielten wir noch auf dem Kleinfeld, als ich elf Jahre alt war. Nach dem Umzug nach Münster war es eine große Umstellung, auf dem Großfeld zu spielen. Das fiel mir schwer, da ich körperlich bislang nicht so weit war und mich sehr anstrengen musste. Trotzdem habe ich immer Fußball gespielt. Für eine Profikarriere hat es aus verschiedenen Gründen nicht gereicht, primär aus athletischen Gründen wie Schnelligkeit und Kraft, aber auch wegen anderer Faktoren. Doch meine Leidenschaft für den Fußball blieb immer bestehen.


Du hast dich sehr früh entschieden, als Trainer zu arbeiten. Auch hier bist du gleichermaßen den Spuren deines Bruders gefolgt?


Bei unserem Heimatverein SC Gremmendorf haben wir als Trainer gearbeitet, während wir selbst noch aktiv spielten. Mein Bruder begann damit und ich folgte ihm. Es hat mir riesige Freude bereitet. Mit 14 Jahren fing ich an, die U6 zu trainieren und begleitete die Mannschaft durch die Altersstufen U7, U8 und U9.


Dich führte es sehr früh zu anderen Vereinen in Münster, wo du unterschiedliche Jahrgänge trainiert hast?


Nach meiner Zeit beim SC Gremmendorf wechselte ich zum SC Münster 08, wo ich zwei Jahre die U11 trainierte. Anschließend war ich drei Jahre beim 1. FC Gievenbeck, wo ich in den ersten zwei Jahren die U15 betreute, im zweiten Jahr arbeitete ich parallel als Co-Trainer der ersten Mannschaft. Im dritten Jahr war ich dann für die U19 verantwortlich. Schließlich wechselte ich zu Preußen Münster. Parallel dazu begann ich mit dem Medizinstudium, aber ich fühlte mich immer mehr als Trainer denn als Medizinstudent oder Arzt. Oft werde ich gefragt, ob mir die Arbeit in der Klinik nicht fehlt. Für mich fühlte es sich jedoch immer umgekehrt an: Ich war kein Arzt, der nebenbei als Trainer arbeitete, sondern ein Trainer, der Medizin studierte und später als Arzt arbeitete.


Wie entstand das Interesse für die Medizin?


Mein Interesse an Medizin entstand bereits während der Schulzeit. Ich war in all den Jahren ehrenamtlich als Fußballtrainer tätig und hatte kein Angebot, dies hauptberuflich zu machen, da es in Münster kaum hauptberufliche Trainerstellen gab. In der 12. Klasse nahm ich an einem Projekt namens „Junior Uni“ teil, wo ich während der Schulzeit bereits Vorlesungen an der Universität besuchen konnte. BWL fand ich langweilig, aber Sport gefiel mir sehr. Doch ich wollte etwas Tiefergehendes und entschied mich für Medizin, da dieses Studium viele Bereiche wie Psychologie, Physiologie und Anatomie abdeckte.


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BWL fand er langweilig, aber Sport gefiel Ihm sehr

Alles klingt sehr geplant und organisiert. Recht unüblich für das Alter. Du ziehst dein Studium durch. Allerdings kommen erste Zweifel zum Beruf Arzt. Wie kam es dazu?


Während meiner Praktika im Krankenhaus hatte ich oft Angst vor der Vorstellung, 40 Jahre lang im gleichen Gebäude ein und auszugehen. Der Gedanke, den Großteil meiner Lebenszeit dort drin zu verbringen, war für mich bedrohlich. Auch deshalb sah ich mich vielleicht immer mehr als Trainer als im Arztkittel.


Dabei hat der Beruf Arzt einen hohen Stellenwert und birgt Sicherheiten, die dir als Trainer nicht geboten werden?


Für mich gibt es kaum Berufe, die ich so hoch einschätze wie den medizinischen Bereich. Die Arbeit, die die Menschen im Krankenhaus leisten, ist enorm und verdient größten Respekt. Meine Mutter war Krankenschwester und ich weiß aus erster Hand, mit welcher Leidenschaft, Hingabe und Opferbereitschaft sie und ihre Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Es gibt keinen Beruf, den ich höher bewerten würde. Ob als Krankenschwester oder Arzt, die Menschen in der Medizin leisten unglaublich wertvolle Arbeit. Doch persönlich habe ich immer gespürt, dass ich nicht dauerhaft in einem Krankenhaus arbeiten möchte. Jedes Mal, wenn ich das Krankenhaus verließ, freute ich mich darauf, endlich das machen zu können, was ich wirklich wollte: Fußballtrainer sein. Der Arztberuf bietet natürlich viele Sicherheiten: Tarifverträge, klare Gehaltsstrukturen und langfristige Beschäftigung. Man muss sich keine Sorgen um seinen Job machen. Dennoch war meine Leidenschaft für den Fußball entscheidend für meine berufliche Ausrichtung.


Also bist du erst einmal ins Krankenhaus und hast die Fußballschuhe gegen den Kittel getauscht?


Nach sechs Jahren Medizinstudium stand ich kurz vor meinem ersten Job, als mir eine Woche vor Arbeitsbeginn ein Angebot als Trainer unterbreitet wurde. Es gab die Option, den neuen Job in Teilzeit anzutreten, doch finanziell ergab das keinen Sinn. Am Ende des Studiums strebte ich nach finanzieller Stabilität, besonders mit dem Gedanken an eine zukünftige Familie. An diesem Punkt entschied ich mich gegen die Trainerkarriere und begann, Vollzeit in der Chirurgie des St. Franziskus- Hospitals zu arbeiten. Über dreieinhalb Jahre war ich dort tätig, dann verspürte ich den Wunsch, etwas Neues zu lernen und wechselte zur Unfallchirurgie der Uniklinik Münster. Obwohl auch das eine großartige Erfahrung war, merkte ich, dass mir der Fußball fehlte. In der Uniklinik wurde mir klar, dass meine Leidenschaft im Trainerjob lag. Ich entschied mich, die Uniklinik zu verlassen. Mein Chef zeigte viel Verständnis und akzeptierte meine Entscheidung, wofür ich sehr dankbar bin. Ich wechselte in eine allgemeinmedizinische Praxis, wo ich von morgens bis nachmittags arbeitete. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, nach 16 Uhr als Trainer tätig zu sein. Nach vier Jahren Pause kehrte ich zu Preußen Münster zurück und begann erneut als Trainer der U15 zu arbeiten.


Der Job als Arzt ist nun passe. Der Jugendtrainer Moritz hat sich allerdings gegen Münster als seine sportliche Heimat entschieden und wechselt nach Ostwestfalen. Es ging zum SC Paderborn. Schwer nachzuvollziehen, dieser Schritt für mich als Preußen-Fan. Aber mal im Ernst. Es muss gute Gründe gegeben haben, in ein Nachwuchsleistungszentrum zu wechseln?


Ich habe bei mir festgestellt, dass ich in meiner bislang 15-jährigen Trainerkarriere noch nie nur für ein Jahr bei einem Verein tätig war. Wenn ich eine neue Stelle antrete, möchte ich dort etwas aufbauen, etwas entwickeln. Ich war aber auch immer jemand, der irgendwann den nächsten Schritt machen wollte. Durch meine Wechsel habe ich viele verschiedene Vereine und Strukturen kennengelernt, was mich sowohl inhaltlich als auch charakterlich wachsen ließ. Diese Veränderungen waren jedoch nicht langfristig geplant, sondern ergaben sich einfach so. Bei Preußen Münster durfte ich fünf Jahre auf hohem Niveau in der Nachwuchsarbeit tätig sein, wofür ich sehr dankbar bin. Ich hatte dort viele Freiheiten und genoss viel Vertrauen. Allerdings wussten die Verantwortlichen bei Preußen, dass ich den Wunsch hatte, den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen. Nachdem ich mich entschieden hatte, nicht den großen medizinischen Weg zu gehen und die Uniklinik verlassen hatte, um in einer Hausarztpraxis zu arbeiten und wieder als Trainer tätig zu sein, wollte ich natürlich im Fußball die nächsten Schritte gehen. Die Möglichkeit ergab sich schließlich beim SC Paderborn 07. Der sportliche Leiter nahm Kontakt zu mir auf. Anfangs war die Idee für mich schwer vorstellbar, insbesondere wegen der Entfernung. Im Nachhinein war es der absolut richtige Schritt. Ich bin den Paderborner Verantwortlichen sehr dankbar, dass sie mir ermöglicht haben, mein Hobby zum Beruf zu machen. Eine Vollzeitstelle als Trainer zu bekommen, ist das größte Geschenk, das mir beruflich gemacht werden konnte, und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.


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Nach vier Jahren Pause kehrte Moritz Glasbrenner zu Preußen Münster zurück

Mit dem Wechsel in ein NLZ verfolgst du ein klares Ziel. Wie lauten die nächsten Schritte?


Ich besitze die A-Lizenz, absolviere aktuell die A+ Lizenz und strebe mittelfristig an, die Pro-Lizenz zu erwerben. Dafür benötige ich nach der neuen Ausbildungsordnung drei Jahre Erfahrung entweder in der U19-Bundesliga oder im Regionalliga-Fußball der Senioren. Das wäre mein nächster Schritt. Mein Ehrgeiz treibt mich an, immer weiterzugehen, sobald ich mich eingelebt habe. Daher bin ich sehr glücklich mit meiner aktuellen Arbeit, aber ich bin auch offen für neue Herausforderungen. Ich bin offen für alles, was kommt, und habe den Antrieb, die nächsten Schritte zu gehen. Gleichzeitig habe ich Respekt und Demut und weiß, dass es immer Grenzen gibt, die man erst überwinden muss, bevor man weitergeht.


Warum wird die Jugendarbeit in Deutschland oft kritisch betrachtet? 


Ich glaube, dass wir grundsätzlich in Deutschland sehr kritisch sind, auch uns selbst gegenüber. Das hat auch Vorteile. Diese Selbstkritik treibt uns an, uns kontinuierlich zu verbessern, sei es im Gesundheitssystem oder im Fußball. Wir hinterfragen ständig unsere Methoden und suchen nach Verbesserungen, wie durch die Umstellung auf mehr Kleinfeldspielformen im Training, um die Spieler besser zu fördern.


Okay. Aber was muss sich wirklich ändern aus deiner Sicht, damit die fußballerische Ausbildung bei uns wieder Früchte trägt? 


Die Professionalisierung im Fußball hat zweifellos viele positive Effekte, aber sie birgt auch Herausforderungen. Durch die strikte Organisation und Planung wird den Spielern oft die Möglichkeit genommen, eigenständige Entscheidungen auf dem Platz zu treffen. Früher möglicherweise vorhandene Selbstständigkeit geht dadurch verloren, was die Entwicklung der Spieler beeinflussen kann. Die Balance zwischen Professionalisierung und der Förderung individueller Talente zu finden, ist entscheidend. Die zunehmende Organisation im Jugendfußball bietet zwar Vorteile wie verbesserte Trainingsbedingungen und eine bessere Talentidentifikation, könnte aber gleichzeitig die Eigenverantwortung der Spieler beeinträchtigen. Es ist wichtig, diese Herausforderungen anzuerkennen und nach Lösungen zu suchen, die sowohl die professionelle Entwicklung fördern als auch die Eigeninitiative der Spieler unterstützen. Insgesamt ist die Diskussion um die Jugendarbeit im Fußball komplex und erfordert ein feines Abwägen zwischen strukturierter Organisation und der Förderung individueller Talente.


Moritz. Danke für das kurzweilige Gespräch. Wir beide kennen uns nun viele Jahre und haben immer geile Gespräche geführt. Worüber sprechen wir in fünf Jahren?


(Lacht) Bei einem guten Kaffee finden wir beide immer ein Thema.


Moritz Glasbrenner

Der Münster aufgewachsene und 1990 geborene Sohn einer Medizinerfamilie ist studierter Arzt. Den Kittel hat er abgelegt und arbeitet Vollzeit als Fußballtrainer beim SC Paderborn 07, wo er mit der U17 als verantwortlicher Trainer in der DFB-Nachwuchsliga kickt. Und manchmal trifft man ihn auch als Gegner beim Beachvolleyball.

lllustration Thorsten Kambach / Fotos Moritz Glasbrenner

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