Peter Sauer spricht mit Rispect A über Fake News, KI und skaten in Berg Fidel
ENDLICH RAUS AUS DER FILTER-BUBBLE!
RispectA ist ein Rapper, der kein Blatt vor den Mund nimmt und mit akrobatischer Sprachpoesie zu angesagten Beats sich nicht nur mit Cruisen und Bros beschäftigt, sondern vor allem mit tiefen Schattierungen der Liebe und drängenden Alltagsproblemen. Seine Anfänge liegen in Münster. Die Stadt prägt ihn auch heute noch sehr, wie Peter Sauer im Interview zum Release seines langersehnten Albums „Predators“ erfuhr.
Gerade im sommerlichen August tummeln sich viele Menschen am Aasee. Lieber RispectA, welche besondere Beziehung hast du zu unserem City-Gewässer?
Ich hatte damals meinen Realschulabschluss dort nachgemacht. An einer Abendrealschule am schönen Aasee in Münster. In den Pausen war ich öfters direkt am Wasser. Der Aasee ist auch ein guter inspirierender Ort und auch gut zum Lernen. Meine kleine Schwester macht derzeit übrigens ein Studium beim Zoll in Münster, an der Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung in Gievenbeck. Ich bin echt stolz auf sie.
Du bist in Sassenberg und in Warendorf aufgewachsen, was war Münster damals für dich?
Münster war immer eine Anlaufstelle, um in eine größere Stadt zu kommen. Raus aus dem Kreis Warendorf. Ich bin damals zum Feiern nach Münster und um Freunde aus der Rap-Szene zu treffen, zu denen ich heute noch guten Kontakt habe.
Und wo genau habt ihr euch damals in Münster getroffen?
In meiner Jugend bin ich öfters im Skate-Pool in Berg Fidel gefahren. Denn damals war ich leidenschaftlicher Inline-Skater. Und mit den Jungs meiner Clique sind wir dann immer mit dem Zug von Warendorf nach Münster gependelt. Mit dabei war immer eine Autobatterie …
Eine Autobatterie im Zug, wirklich?
Ja, wir haben die Autobatterie angeschlossen an einen Verstärker, der wiederum an einen Discman angeschlossen war. So konnten wir unsere Musik mobil hören, also die besten Rap-Songs unserer Vorbilder aus den USA und Deutschland. Wir haben uns damals immer schon gut zu helfen gewusst und unsere mobile Anlage stets dabei gehabt und dann an coolen Locations aufgebaut. Denn mobile Bose-Boxen gab es damals noch nicht. Das Ganze wurde übrigens in einer unscheinbaren Reisetasche transportiert.
Berg Fidel sollte für dich ein wichtiger Ort werden …
Ja, ein prägender Ort. Ein paar Jahre nach dem Skatepool besuchte ich das dortige Jugendzentrum neben dem Preußen-Stadion.
Warum?
Ich nahm an einem Deutschrap-Battle teil. Jeder zeigte, was er drauf hatte. Das Battle wurde moderiert vom Rapper F-Raz (Farhang Razavi) aus Hiltrup, der unter anderem mit dem Song „Es tut mir leid“ bekannt wurde. Und einer meiner Gegner war niemand Geringeres als Rapper Kianush (größter Hit: „Casino Royal“). Mit meinem Rap-Kollegen Fadi48 (Fadi Daeem) habe ich damals schon viel gemacht.
Und wie ging das Battle in Berg Fidel im Schatten des Preußen-Stadions aus?
Gegen Kianush bin ich damals beim Deutschrap-Battle in der zweiten Runde leider herausgeflogen. Kianush war schon damals so krass sehr gut mit seinen Songs. Und ich war noch am Anfang.
Warst du sauer auf Kianush?
Nein, er war deutlich besser. Für immer ist für mich Kianush, der ja in Kinderhaus aufwuchs, ein Ausnahmekünstler – mit starken Texten, Emotionen und Flows. Kianush hat mich geprägt. Ein echtes Vorbild. Umso dankbarer war ich, dass er später einmal bei mir zuhause war und mir zeigte, wie ich meine eigenen Aufnahmen verbessern kann. Und wie man, das war damals der Standard, ein Greenscreen-Video im eigenen Wohnzimmer drehen kann. Dieser Mann ist Rap zu 100 Prozent. Danke, Kianush!
Dein neues Album „Predators“ hast du aber nicht mit Kianush in seinem Studio in Mecklenbeck produziert, sondern mit BaLKanoO. Warum?
BaLKanoO ist einer der talentiertesten Künstler, die ich kenne. Er hat das Gehör und das Händchen für gute Melodien und Kompositionen. Wir haben gemeinsam immer einfach unsere neuen Songs nach und nach als Singles rausgehauen. Die kamen gut an, wie zum Beispiel die Songs „Anker“ oder „Wendepunkt“, die beide zum Beispiel in der weltweit empfangbaren Radiosendung „Gila Gila“ gespielt worden sind. Dann haben wir, BaLKanoO und ich gemeinsam, mit 25 Songs jetzt das Album „Predators“ veröffentlicht.
Wie kommt es zum Namen „Predators“? Hat der was mit dem gleichnamigen Action-Sci-Fi-Film von 2010 zu tun?
Nein. Predators, also zu Deutsch Raubtiere, soll einfach vom Namen nach schon direkt vermitteln, das wir im Rap wie Predators sind.
Berg Fidel war immer ein prägender Ort
„Zwei Dämönen auf der Jagd“ heißt es ja auch deutlich im Refrain …
Ja, dass wir alle anderen Rapper auffressen …
Wirklich jetzt?
Haha, nein, nein. Das ist jetzt nur symbolisch gemeint gewesen, haha. Wir wollten halt eine klare Ansage machen. Dass wir am Start sind. Mit besonderen Songs.
Verstehe …
Wir arbeiten in Eigenregie immer schon autodidaktisch. BaLKanoO lebte damals noch in Offenburg. Er steuerte die Beats bei, zu denen ich die Texte machte. Für das Album haben wir alles gemeinsam gemacht. Wir singen und rappen gemeinsam. Hinzu kommen noch Gast-Rapper, wie Da Smoke aus Orlando (USA).
Wie habt ihr euch die Albumproduktion aufgeteilt, so ganz ohne großes Studio und einer Plattenfirma im Hintergrund?
BaLKanoO übernimmt die Aufnahmen vom Einsingen über das Mixen bis zum End-Mastering als Produzent, also alles, was mit der Musik zu tun hat. Ich mache die Texte, die Videos, die Grafiken, die Trailer. Wir ergänzen uns gut. Wir haben lange am Album gefeilt, weil wir auch hohe Ansprüche an uns selbst haben.
Habt ihr das irgendwo gelernt?
Nein. Wir sind beide überzeugte Autodidakten. Und unkonventionell. Ich arbeite zum Beispiel ganz ohne Noten.
Ihr kennt euch schon lange?
Wir haben uns damals auf einer Plattform kennengelernt. Die hieß www.rappers.in. Das war eine Seite, wo man seine Beats als Producer und Songs als Rapper hochladen konnte.
Und die Seite gibt es heute noch …
Da haben wir uns schon 2009 kennengelernt und von da an immer etwas zusammen gemacht.
Um jetzt mit dem gemeinsamen Album „Predators“ so richtig durchzustarten?
Genau. Das Album „Predators“ ist ein neues Level. Wir schrieben die Texte damals noch auf Zetteln, benutzten am Anfang billige Mikrofone. Jahre vergingen, bis wir mit diesem ersten gemeinsamen Album unseren Traum endlich mit professionellem Equipment selbst verwirklichen konnten. Es geht um Verrat, Liebe, Politik und Soziales. Über den wachsenden Unmut in der Gesellschaft, um negative und positive Energien. Unser Album ist wie so eine gemischte Tüte am Kiosk geworden: sehr bunt.
Hand in Hand ergänzt ihr euch klasse. Eure Videos brauchen sich ebenso wenig zu verstecken wie eure Songs, die im Ohr bleiben. Im Radio laufen sie schon. Ab in die Charts damit!
Danke, Peter, das wäre ein langersehnter Traum.
Plant ihr auch mal einen Videodreh in Münster?
Mit dem Rapperkollegen Fadi48 plane ich eine Fotosession mit Videodreh in Münster. Wo genau ist noch ungewiss, Fadi48 ist ein alter Kumpel. Wir werden einige Hotspots in Münster checken.
Auf dem Album „Predators“ sind 25 Songs. Respekt für die Anzahl erstmal, die hätte ja auch dicke für zwei Alben gereicht …
Danke. Wir hatten einfach so viel in der Pipeline, was unbedingt rausmusste, aus unseren Köpfen, Herzen und Seelen. Von hart bis emotional, von langsamen bis zu schnellen Beats.
Gibt es einen roten Faden?
Wir hatten keinen direkten roten Faden und haben einfach spontan angefangen, die Songs aufzunehmen. Wir haben einfach gemacht, worauf wir Bock hatten. Das ist unser Prinzip. Diese Freiheit ist wichtig. So sind Songs entstanden wie „S.O.S.“ Dies ist übrigens mein persönlicher Lieblingssong vom Album „Predators“.
Cool, und warum?
Er ist schön nachdenklich, streng und weich zugleich. Der Song geht in den Kopf und gleichzeitig auch in die Beine. In „S.O.S.“ geht es darum, von den Menschen wegzugehen, in die Ferne, um für sich zu sein. Um ganz zu sich zu kommen. Um von dieser Weite aus, mit Abstand also, zu beobachten, wie die Leute in Not sind, es aber selber nicht merken, im ganzen Wohlstand des gewohnten Lebens ihres Hamsterrades – um so einen besseren Lebensweg zu finden. Authentisch und frei.
Ich arbeite ganz ohne Noten
Da geht es also um den wichtigen Blick über den Tellerrand und den Ausbruch aus der eigenen Komfortzone …
Genau. Das ist wichtig geworden, gerade in diesen unruhigen Zeiten. Wirklich mal alles überdenken und schauen, ob man noch auf dem richtigen Trip ist.
Wohl wahr. Sehr gut finde ich die Songs „Newstime“ und „F.A.K.E.“
Bei „Newstime“ geht es um die Nachrichten-Medien-Welt zwischen Klickzahlen und Auflagenstärke, zwischen Objektivität und Fake News im allgemeinen Informationsüberfluss unserer Zeit. Den Song haben wir zusammen mit dem Berliner Rapper Lapaz (Marc Markowski) gemacht. Den habe ich kennengelernt über einen Freund von mir, der nach Paraguay ausgewandert ist. Beim Song „F.A.K.E.“ geht es darum, dass viele Leute mit Filtern arbeiten, bei Facebook und bei Instagram. Die Leute verlieren sich alle in dieser KI, die Realität geht verloren, die Leute verlieren sich in der Bubble, in dieser totalen Filterblase.
Wann kommen dir die Ideen zu den Songs?
Die Ideen kommen mir fast überall. Ich sortiere beim Schreiben meine Gedanken im Kopf. So kann ich ein Stück weit mit Dingen abschließen, die mich belasten. Manchmal fließt so ein Text binnen Minuten aus mir heraus, manchmal sitze ich stundenlang vor einem weißen Blatt Papier, vor allem bei den politisch-sozialkritischen Texten.
Wie kamst du eigentlich zur Rap-Musik?
Zur Musik kam ich über meinen Cousin und Bruder. Sie brachten mir die Rapper Samy de Luxe und Curse näher. Als 12-Jähriger sang ich die Songs nach, nahm sie auf Musikkassette auf und freestylte sie. Sie passten auch gut zum Skaten in Berg Fidel.
Was bedeutet dir eigentlich Musik?
Musik ist für mich ein tiefer Ausdruck meiner Gefühle, Stimmungen und auch ein Weg, Probleme zu verarbeiten. Ich hoffe, dass sich auch andere Menschen mit meinen Texten, mit unserer Musik identifizieren können.
Wenn ich deinen Texten genau lausche, kämpfst du für den Schutz der Werte, mündige Bürger und die Wertschätzung echter Liebe …
So könnte man es zusammenfassen. Aber eines darfst du nicht vergessen, Peter!
Was?
Wir versuchen stets, alles mit coolen Beats zu machen. Und was auch wichtig ist: Bei uns gibt es keinen erhobenen Zeigefinger oder so.
Sehr gut. Und was liebst du so an Münster?
An Münster liebe ich die vielfältige musikalische Szene, die Weltoffenheit. Früher habe ich gerne und oft im Schwarzen Schaf und im Cuba Nova abgefeiert. Den Wochenmarkt am Dom besuche ich auch heute noch sehr gerne, auch weil ich ihn als Kind immer von Sassenberg aus mit einer Großmutter besucht habe. Da sind wir regelmäßig immer samstags hin. Das sind schöne Erinnerungen, die bleiben. Auch weil der Markt über all die Jahre nichts von seinem Charme verloren hat.
Du fotografierst ja auch …
Ja, sehr gerne. In Bild und in Video. Gerne Architektur und Natur. Gerne besondere Stimmungen. Gerne frühmorgens oder nachts. Auch dafür bietet sich Münster sehr gut an, etwa die Altstadt. Oder der Hafen beim Sonnenuntergang. Ich plane neue Projekte in Münster. Lasst euch überraschen.
Was machst du gerne in deiner Freizeit?
In der Natur sein zum Durchtanken mit all ihrem Farbenreichtum, Sport machen und Freunde und Musikerkollegen treffen, die mich auch inspirieren. Da geht zum Beispiel alles gut, auch am Aasee.
Bleibt noch zu klären, woher eigentlich der Name RispectA kommt?
Von meinem Cousin Christian. Ich brauchte beim Playstation-Spielen einfach einen coolen Spieler-Namen: RispectA.
Rispect A
Geboren als Steven Richter in Bad Belzig in Brandenburg kam RispectA mit den Eltern als Kleinkind nach Sassenberg, blieb 16 Jahre dort, ging nach Warendorf, produzierte die ersten Songs über einer Pizzeria. Seit ein paar Jahren lebt er in Dortmund, ist aber häufig in Münster, beruflich wie privat.
Das Album „Predators“ von RispectA/BaLKanoO gibt es auf allen Streamingportalen. Zum Reinhören:
https://www.youtube.com/watch?v=kBmAKsRlRhg
https://www.instagram.com/rispecta/
lllustration Thorsten Kambach / Fotos Rispect A