
Tom Feuerstacke und Tim Geidies besprechen ein Athletiktraining
TRAINING, RÜCKSCHLÄGE UND DIE KUNST DER MOTIVATION
Tim Geidies ist kein gewöhnlicher Athletiktrainer – er lebt den Sport mit voller Leidenschaft und geht dabei immer einen Schritt weiter. Im Interview gibt er spannende Einblicke in seine Arbeit bei Preußen Münster, den Umgang mit Rückschlägen und die Herausforderungen, die der Trainerberuf mit sich bringt. Ob in der U23 oder beim Basketball – Tim bringt frische Perspektiven und innovative Ansätze mit, um das Beste aus seinen Spielern herauszuholen. Und dabei wird schnell klar: Für ihn ist jeder Tag eine neue Chance, zu wachsen.
Tim, ist es einfach, neuen jungen Spielern von Anfang an ein Gefühl der Gemeinschaft und des Respekts zu vermitteln? Das Ganze, ohne dass es Unmut gibt?
Ob es keinen Unmut gibt, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Mir ist es jedoch wichtig, dass neue Spieler von Anfang an in unsere Gemeinschaft integriert werden – insbesondere in den jeweiligen Disziplinen unseres Vereins. Für mich zählt primär ein respektvolles Miteinander: Wenn jemand den Platz betritt, erwarte ich, dass er grüßt – genauso, wie ich ihn oder sie begrüße. Dieses gegenseitige Wohlwollen ist aus meiner Sicht unser größtes Gut. Natürlich kann es Situationen geben, in denen ich mal etwas deutlicher werde. Ob das immer auf Verständnis stößt, ist schwer zu beurteilen. Doch am Ende geht es mir um eines: Respekt.
Ich hörte von „15 langen Minuten Liegestütze“ für blöde Sprüche?
(Lacht) 15 Minuten? – Ja, es waren tatsächlich 50 Sekunden. Doch genau das ist ein Lernprozess. Ich versuche, Dinge oft mit Humor zu vermitteln, aber es gibt auch einen Punkt, an dem Disziplin und Respekt gefragt sind, da werden es dann auch mal Liegestütze. Ordnung gehört einfach dazu, sei es auf dem Spielfeld oder bei Kleinigkeiten wie ordentlich aufgereihten Schuhen an der Wand. Das mag banal klingen, doch es sorgt für Struktur und zeigt Wertschätzung gegenüber anderen.
Was tust du, wenn Spieler deinen Ansatz anfangs nicht verstehen oder als streng empfinden?
Interessanterweise merke ich die Wirkung meines Ansatzes oft erst Jahre später. Ehemalige Spieler erzählen mir dann, dass sie es damals nicht immer verstanden haben oder mich manchmal sogar als streng empfanden. Das Unverständnis muss man dann mal aushalten und einfach erklären, warum es mir in dem Moment wichtig ist. Doch im Rückblick schätzen die Allermeisten die Zeit und erkennen, wie viel sie davon mitgenommen haben. Wenn Spieler nach Jahren auf mich zukommen und von „damals“ erzählen, was ihnen in Erinnerung geblieben ist und wie es sie vielleicht doch etwas geprägt hat. Solche Momente sind für mich besonders wertvoll – zu sehen, dass meine Arbeit in Erinnerung bleibt und einen nachhaltigen Einfluss hat.
Wie setzt du gezielte Anreize, um junge Spieler langfristig zu motivieren und ihnen eine professionelle Einstellung zu vermitteln?
Ein wenig spielerisches „Triezen“ kann helfen, aber auch strukturelle Maßnahmen, wie sie bei Preußen Münster zunehmend Anwendung finden. Zum Beispiel bald durch ein Punktesystem: Wer regelmäßig dehnt, Krafttraining absolviert oder sich gesund ernährt, sammelt Punkte – und kann sich so mit Profis messen oder an persönlichen Zielen orientieren. Langfristige Ziele sind für 13- oder 14-Jährige oft schwer zu greifen. Deshalb ist es entscheidend, Zwischenziele zu setzen und sie durch regelmäßige Impulse daran zu erinnern, warum die Arbeit heute ihre Zukunft prägt. Jugendliche denken nicht wie Erwachsene – und das ist gut so. Doch es ist unsere Aufgabe, sie Schritt für Schritt an eine professionelle Einstellung heranzuführen.
Welche Altersstufe fordert dich als Trainer am meisten? Ist es der Nachwuchsbereich, in dem du nicht nur sportlich, sondern auch menschlich prägend wirken kannst, oder der Profibereich, in dem taktische und leistungsorientierte Aspekte dominieren? Und wie gelingt es dir, junge Spieler sowohl athletisch als auch persönlich auf ihrem Weg zu begleiten?
Oft werde ich gefragt, welche Altersstufe mir als Trainer mehr Spaß macht oder wo ich den größten Mehrwert sehe. Doch darauf gibt es keine einfache Antwort – jede Phase hat ihren eigenen Reiz und ihre spezifischen Herausforderungen. Im Nachwuchsbereich, sei es in der U-Mannschaft, die ich über fünf Jahre komplett trainiert habe oder heutzutage noch der U23, geht es nicht nur um sportliche Entwicklung, sondern auch um persönliche Reifung. Junge Spieler befinden sich in entscheidenden Lebensphasen, in denen sie nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich geprägt werden. Themen wie Ausbildung, Schulabschluss oder die Frage, wie es nach dem Fußball weitergeht, spielen eine große Rolle. Hier hat man als Trainer die Möglichkeit, nicht nur athletisch, sondern auch als Mentor zu wirken. Natürlich gibt es auch im Profibereich junge Talente, die man intensiver begleiten muss. Doch je höher die Spielklasse, desto mehr stehen taktische und leistungsorientierte Aspekte im Vordergrund. Es bleibt dennoch faszinierend zu sehen, wie Spieler auf unterschiedlichen Ebenen wachsen – sowohl auf als auch neben dem Platz.
Als Athletiktrainer nimmst du die Herausforderungen wahr, mit denen junge Spieler außerhalb des Platzes konfrontiert sind, wie Schulstress, Prüfungen oder persönliche Unsicherheiten? Siehst du dich eher als Mentor, der Struktur gibt, oder als Ausgleich, der den Sport als Ventil nutzt? Und inwiefern unterscheidet sich deine Arbeit in diesem Bereich vom Profisport, in dem kurzfristige Ergebnisse oft im Vordergrund stehen?
Die prägenden Lebensphasen junger Spieler sind oft herausfordernd – nicht nur sportlich, sondern auch persönlich. Klausuren, Abschlussprüfungen, Abitur: All das sind Stressfaktoren, die ihren Alltag bestimmen. Als Trainer in dieser Zeit unterstützend zur Seite zu stehen, Struktur zu geben und Sport als Ausgleich zu nutzen, ist eine spannende und wertvolle Aufgabe. Ein großer Unterschied zum Profibereich liegt in der Geschwindigkeit der Entwicklung. Während dort der Fokus klar auf dem nächsten Spieltag liegt und kurzfristige Ergebnisse dominieren, steht im Jugendbereich die langfristige Entwicklung im Mittelpunkt. Fortschritte sind oft schneller sichtbar, weil junge Spieler in kurzer Zeit große Sprünge machen können – sowohl sportlich als auch persönlich. Beide Bereiche haben ihren Reiz. Die Arbeit mit jungen Talenten und ihre Entwicklung mitzuerleben ist ebenso spannend wie der Wettkampf und die Dynamik des Profisports. Es ist diese Vielseitigkeit, die den Trainerberuf so besonders macht. Ich denke, dass alle Trainer bei uns es super schaffen, den Spielern die Möglichkeit des Sportes als Ausgleichsventil zu geben, aber gleichzeitig auch immer da zu sein, um ihnen den ein oder anderen guten Rat in Gesprächen mit auf den Weg zu geben.

Jugendliche denken nicht wie Erwachsene
Welchen Stellenwert hat aus deiner Sicht die athletische Ausbildung im modernen Fußball, und welche Rolle spielen gezieltes Kraft- und Lauftraining dabei? Siehst du Unterschiede in der physischen und mentalen Vorbereitung zwischen Fußball und Basketball? Und wie schaffst du es, dich gleichzeitig in beiden Sportarten einzubringen, ohne die Abläufe der Teams zu stören?
Die körperliche Fitness spielt im modernen Sport eine immer größere Rolle. Mannschaften müssen athletisch auf höchstem Niveau agieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Vor einigen Jahren wurde ich deshalb angefragt, ob ich die Top-Schiedsrichter aus Münster im Kraft- und Lauftraining schulen könnte. Seitdem arbeite ich regelmäßig mit ihnen – auch wenn es nur einmal im Monat ist, bekommen sie wichtige Impulse, wie sie ihr Training gestalten können. Denn ein paar Dauerlaufeinheiten allein reichen nicht aus, um über 90 Minuten mit hoher Intensität mit den Mannschaften mithalten zu können. Mein Hauptfokus liegt natürlich auf meiner Arbeit bei der ersten Mannschaft von Preußen, aber auch bei der U23, wo ich zusätzliche Projekte umsetze und Trainingskonzepte teste. Ferner begleite ich auch die Uni Baskets bei ihren Trainingseinheiten und, wenn es die Zeit erlaubt, bei den Spielen. Dort sehe ich meine Rolle in Spielen weniger in der physischen Vorbereitung, sondern mehr in der mentalen Unterstützung – besonders im Basketball, wo das Spielgeschehen extrem dynamisch ist und schnelle mentale Anpassungen gefragt sind. Am Spieltag halte ich mich bewusst im Hintergrund, weil ich Routinen für essenziell halte und nicht immer da sein kann aufgrund der Arbeit bei Preußen. Die Spieler sollen ihr eigenes Aufwärmprogramm beibehalten, ohne zusätzliche Einflüsse. Trotzdem bin ich da, wenn Unterstützung gebraucht wird – sei es durch Gespräche oder kleine Impulse.
Wie wichtig ist es für dich, über den Fußball hinauszublicken und dich in anderen Sportarten weiterzuentwickeln? Gibt es bestimmte Trainingsansätze aus dem Basketball oder Schwimmen, die du bereits erfolgreich in den Fußball übertragen konntest?
Die Arbeit als Trainer ist für mich mehr als nur Fußball – jede Sportart hat ihren eigenen Reiz. Deshalb würde ich gerne noch mehr Teams und Disziplinen betreuen. Es geht mir nicht nur um die Vielfalt, sondern auch um meine eigene Weiterentwicklung. Bei Preußen Münster kann ich mich mit meinen jüngeren Kollegen austauschen, aber nach 15 Jahren als Athletiktrainer suche ich ständig nach neuen Herausforderungen. Wie die Sportarten Schwimmen oder Basketball. Diese Erfahrungen helfen mir, mein Training neu zu denken: Was funktioniert im Basketball, das sich auf den Fußball übertragen lässt? Wie lassen sich Konzepte aus dem Schwimmen adaptieren? Diese interdisziplinäre Herangehensweise fordert mich heraus und bringt mich als Trainer weiter. Letztlich profitieren auch meine Fußballspieler davon, wenn ich neue Perspektiven einbringe und innovative Methoden entwickle.
Du beschreibst deinen Ansatz als Trainer als energiegeladen und leidenschaftlich. Glaubst du, dass dieser „verrückte“ Stil für jedes Team funktioniert, oder braucht es bestimmte Spieler, die darauf ansprechen? Und wie findest du die Balance zwischen Motivation und der Notwendigkeit, auch ruhigere und analytische Momente im Team zu schaffen?
(Lacht) Ich bin, wie ich bin – und jeder kann selbst beurteilen, ob das positiv oder negativ ist. Manche mögen es vielleicht als „herumturnen“ oder „durchdrehen“ wahrnehmen, aber für mich gehört es einfach dazu. Athletiktraining lebt von Energie, Intensität und Leidenschaft. Ich bin fest davon überzeugt, dass man es vorleben muss, um andere mitzureißen. Für mich bedeutet das, mit voller Überzeugung und Begeisterung dabei zu sein – mental wie körperlich. Ich nehme dabei bewusst eine Rolle ein, die etwas „verrückter“ wirkt. Klar, nicht jeder kann oder sollte diesen Stil kopieren, denn man kann so etwas nicht spielen. Es sollte immer authentisch sein. Ein Team benötigt unterschiedliche Charaktere: ruhige, analytische Köpfe genauso wie die, die mitreißen und motivieren. Jeder muss hier auch seine Rolle finden. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, mindestens ein, zwei Leute im Trainerteam zu haben, die diese Energie hereinbringen – denn das steckt an und schafft eine besondere Dynamik. Wenn ich morgens aufstehe und weiß, dass ein Spiel ansteht, spüre ich sofort diese besondere Anspannung. Nervosität gehört für mich dazu – aber nicht im negativen Sinne, sondern als Zeichen dafür, dass ich voll dabei bin. Ich könnte das nie einfach abschalten, und offen gesagt, will ich das auch gar nicht. Ein Spieltag ist pure Leidenschaft. Sobald es losgeht, sobald man ins Stadion einläuft, steigt das Adrenalin – und genau das macht den Reiz aus. Es geht darum, die Mannschaft so zu pushen, dass sie 90 Minuten lang mit voller Intensität spielt, alles gibt und die maximale Leistung abruft. Diese Energie überträgt sich – auf die Spieler, das Team und hoffentlich auch das gesamte Umfeld. In solchen Momenten denkt man nicht nach, man fühlt es einfach. Und genau das liebe ich an diesem Job.
Der Umgang mit Niederlagen gilt als eine der größten Herausforderungen im Trainerberuf. Wie schaffst du es, nach solch emotional belastenden Rückschlägen wieder motiviert ins nächste Training zu gehen und die Mannschaft mit deiner Energie voranzutreiben? Und welchen Stellenwert hat der Austausch im Trainerteam, um solche Momente zu verarbeiten?
Wer in diesem Bereich arbeitet, kann Niederlagen nicht einfach abhaken. Verlieren fühlt sich an wie ein schwerer Rucksack, den man am nächsten Tag mit ins Training schleppt – 10, 20, vielleicht sogar 30 Kilo, die einen belasten. Es ist eine der schwierigsten Lektionen, mit Rückschlägen umzugehen, sie nicht mit nach Hause zu nehmen und einen Schlussstrich zu ziehen. Doch wenn man diesen Beruf mit Leidenschaft ausübt, dann gehört die Liebe zum Gewinnen genauso dazu wie die Abneigung gegen das Verlieren. Es trifft einen besonders hart, wenn es vermeidbare Niederlagen sind – späte Gegentore, unglückliche Entscheidungen, verpasste Chancen. Das sind die Momente, die einen emotional nicht loslassen. Natürlich geht es darum, daraus zu lernen und weiterzumachen. Aber wer diesen Job langfristig machen will, muss akzeptieren: Verlieren bleibt das Schlimmste – und genau das treibt einen an, immer besser zu werden. Der Umgang mit Niederlagen gehört zum Alltag eines Trainers – doch das macht es nicht weniger frustrierend. Eine ganze Woche harter Arbeit kann in nur zwei Minuten zunichtegemacht werden. Um das zu verarbeiten, ist der Austausch im Trainerteam essenziell. Doch das Gefühl bleibt: Es nervt.
Du sprachst davon, dass jede Sportart ihre eigenen Anforderungen an die Athleten stellt. Wie gelingt es dir, diese Unterschiede in deinem Training zu berücksichtigen und dennoch eine einheitliche Grundlage für alle Sportarten zu schaffen, die du betreust? Und was siehst du als die größten Herausforderungen, wenn es darum geht, die jeweiligen sportartspezifischen Bedürfnisse mit den allgemeinen Zielen wie Verletzungsprävention und Entscheidungsfindung zu vereinen?
Die Anforderungen an Athleten unterscheiden sich je nach Sportart erheblich. Während Fußballspieler auf 90 Minuten Höchstleistung vorbereitet werden, erfordert das Training von Schwimmern höchste Präzision, da in diesem Sport Millisekunden über Sieg und Niederlage entscheiden. Hier geht es oft um minimale Verbesserungen, darum, jede mögliche Leistungsreserve herauszuholen. Man pusht weniger, weil die Sportler ohnehin schon am Limit arbeiten. Stattdessen liegt der Fokus auf akribischer Detailarbeit. Bei den Basketballern wiederum kommt eine weitere Herausforderung hinzu: die Sprache. Das Training findet auf Englisch statt – ein zusätzlicher Aspekt, der die Kommunikation und Motivation beeinflusst. Jedes Team, jede Sportart erfordert eine individuelle Herangehensweise – und genau diese Vielfalt macht den Reiz der Arbeit aus. Jede Sportart hat ihre eigene Kultur – das zeigt sich auch im Training. „Im Basketball ist der Vibe oft ein anderer“, beschreibt der Trainer. „Musik läuft, der Flow ist lockerer, während es im Fußball manchmal etwas direkter und robuster zugeht. Aber beides hat seinen eigenen Reiz.“ Trotz der Unterschiede in der Ansprache bleibt die Grundanforderung in beiden Sportarten ähnlich: Die Spieler sollen am Spieltag frisch und schnell sein. „Es geht nicht nur darum, körperlich ans Limit zu gehen“, erklärt er. „Vielmehr sind zwei Dinge entscheidend: Verletzungsprävention und die Fähigkeit, in Spielsituationen blitzschnell die richtigen Entscheidungen zu treffen.“ Diese Vielseitigkeit erfordert eine gezielte Trainingssteuerung – individuell angepasst an die Sportart, aber immer mit dem gleichen Ziel: optimale Leistung auf dem Spielfeld.

Momente die einen emotional nicht loslassen
Es klingt, als ob du trotz schwieriger Bedingungen und Phasen, in denen es mal nicht so gut läuft, immer wieder die Motivation findest, weiterzumachen. Was ist es genau, das dich in diesen Momenten antreibt? Dafür sorgt, dass du dich immer wieder aufs Neue auf das Training und die Arbeit mit der Mannschaft fokussieren kannst?
Klar, es gibt Tage, an denen du herausschaust und siehst: vier Grad, Regen, es ist dunkel – und du weißt, dass du abends um 19 Uhr mit der U23 auf dem Platz stehst. Da denkt man sich schon kurz: „Jetzt auf der Couch zu sitzen, wäre auch nicht schlecht.“ Aber sobald du mit der Mannschaft auf dem Platz bist, oder auch das Training nachbesprichst, mit den anderen Trainern quatschst, ist das Gefühl sofort wieder weg. Das macht einfach Spaß, und dafür brenne ich. Natürlich gibt es auch härtere Phasen, etwa nach einem Abstieg – da braucht es dann ein paar Tage, um den Kopf freizubekommen. Aber ganz aufhören? Dafür liebe ich das Ganze zu unendlich.
Fitness ist eine der Grundlagen im Fußball. Ist der Fitnesszustand im Spiel überhaupt immer beurteilbar? Du sprichst aber auch von der Wichtigkeit der mentalen Stärke und der Fähigkeit, nach einem Rückschlag wieder aufzustehen. Wie schaffst du es, deinen Spielern diese mentale Widerstandskraft beizubringen?
Das ist eine der schwierigsten Fragen überhaupt. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß – also „fit“ oder „nicht fit“. Vieles hängt davon ab, wie sich ein Spiel entwickelt. Wenn uns der Gegner sein Spiel aufzwingt und wir nur hinterherlaufen, fühlt sich die Mannschaft automatisch weniger fit. Das liegt dann aber nicht an der physischen Verfassung. Manchmal macht der Gegner einfach etwas besser, vielleicht hat er mehr individuelle Qualität – oder wir erwischen einen schlechten Tag. Deshalb kann man nie allein am Ergebnis festmachen, wie gut ein (Athletik-)Trainer wirklich ist. Der Fußball ist voller Variablen. Extrem wichtig und das ist auch das Schöne am Sport. Ich arbeite mit den Spielern ja nicht nur physisch, sondern begleite sie auch mental und versuche unter anderem die Widerstandskraft auch im Training weiter zu stärken. Im Fußball musst du 90 Minuten lang voll da sein, aber auch darüber hinaus und dich niemals ablenken lassen von schlechten Aktionen oder dem Umfeld. Wenn ich zum Beispiel im Football sehe, wie ein junger Quarterback nach einem Fehler in sich zusammenfällt, dann weiß ich: Der ist mental nicht bereit. Junge Spieler benötigen ihre Zeit und müssen so etwas meist auch erst erlernen. Schau dir einen Tom Brady an – der hat auch schon schwache erste Hälften gespielt, aber er wusste immer, dass das Spiel erst vorbei ist, wenn es vorbei ist. Diese mentale Widerstandskraft ist entscheidend. Deshalb versuche ich, das bei meinen Spielern zu schärfen: Kopf hoch, weitermachen, das nächste Play, die nächste Aktion zählt. Wer das in jedem Training verinnerlicht, wird auf lange Sicht erfolgreicher sein – nicht nur im Sport, sondern auch im Leben.
Du hast gerade angesprochen, wie wichtig es ist, Spieler zu identifizieren, die mental straucheln und ihnen zu helfen, mit Rückschlägen besser umzugehen. Wie konkret geht ihr als Trainerteam vor, um diese Spieler zu unterstützen, und glaubst du, dass der Einbezug von Sportpsychologen eine größere Rolle im Nachwuchsbereich spielen sollte?
Das ist eine entscheidende Frage – nicht nur für mich, sondern vor allem für die Spieler. Jeder geht anders damit um. Manche sacken nach einem Fehler regelrecht in sich zusammen, andere wirken äußerlich ruhig, sind aber innerlich voll fokussiert. Und dann gibt es die, die sofort nach vorn blicken und sagen: „Egal, weiter geht’s!“ Genau solche Spieler benötigst du, denn sie geben der Mannschaft Stabilität. Aber es ist auch unsere Aufgabe als Trainerteam, diejenigen zu identifizieren, die vielleicht mental straucheln. Dann müssen wir überlegen: Wie bekommen wir ihn wieder in die Spur? Wie trainieren wir, dass er mit Rückschlägen besser umgehen kann? Das sind Dinge, die wir intern viel besprechen. Eigentlich wäre das ideal. In großen Vereinen sind Sportpsychologen längst fester Bestandteil des Teams. In unserem Bereich ist das leider bislang nicht selbstverständlich, aber es entwickelt sich langsam. Ich glaube, es wäre ein enormer Gewinn, mit solchen Experten zu arbeiten. Denn am Ende geht es darum, dass ein Spieler nach einem Fehler nicht ewig grübelt, sondern sich sofort auf die nächste Aktion konzentriert. Genau das macht auf lange Sicht den Unterschied aus.
Du sprichst davon, wie wichtig es ist, die Spieler individuell anzusprechen und ihre Bedürfnisse zu erkennen. Wie gelingt es dir, diese unterschiedlichen Ansprache-Methoden so schnell und effektiv zu adaptieren, und wie viel Unterstützung würdest du dir in dieser Hinsicht von Sportpsychologen wünschen, um noch gezielter auf die mentalen Bedürfnisse der Spieler einzugehen?
Wir arbeiten mit Monitoring-Tools, die uns schon im Vorfeld wertvolle Informationen liefern. Die Spieler geben an, wie sie geschlafen haben, wie sie sich fühlen und wie sie die Belastung des Vortages wahrgenommen haben. So kann ich frühzeitig erkennen, wenn jemand nicht fit ist oder vielleicht einfach einen schlechten Tag hat. Dann suche ich das Gespräch und versuche herauszufinden, woran es liegt. Das ist einer der wichtigsten Punkte im Trainerjob. Ein und dieselbe Ansprache funktioniert nicht bei jedem gleich. Manche Spieler benötigen vor dem Spiel das Gefühl von völliger Lockerheit – denen sage ich dann: „Hab Spaß, alles entspannt!“ Andere müssen richtig gepusht werden: „Heute Vollgas, jetzt zählt’s!“ Wenn ich aber einem ohnehin nervösen Spieler noch mehr Druck mache, dann verkrampft er komplett. Also muss ich am Anfang der Saison schnell herausfinden: Wen erreiche ich wie? Wer benötigt Fachgespräche? Wer will auch mal über sein Privatleben reden? Ein gutes Gespür für Menschen hilft natürlich. Aber ich habe auch Sportpsychologie-Seminare an der Uni belegt und einige Bücher dazu gelesen. Das gibt einem zumindest theoretisches Hintergrundwissen. Am Ende sind Sportpsychologen natürlich die wahren Experten – ich hielt es für extrem wertvoll, wenn wir langfristig noch enger mit ihnen zusammenarbeiten könnten.
Danke Tim und bleib, wie du bist.
Danke dir, Tom.
Tim Geidies
Der 1989 in Hamm geborene Athletiktrainer ist mittlerweile aus Münster nicht mehr wegzudenken. Sein Gesicht steht für seinen Sport, seinen Fußball und die Preußen. Nebenbei macht er die Uni Baskets, die SGS und die Schiedsrichter aus dem Kreis Münster fit.
lllustration Thorsten Kambach / Fotos Preußen Münster